Ein Porträt Estlands
In der postsowjetischen Zeit hat sich Estland erholt, sich den Anforderungen der heutigen Welt gestellt und gleichzeitig seine kulturelle Identität bewahrt. Heute fasziniert das Land durch die verblüffende Kombination von technologischem Fortschritt und mittelalterlichem Erbe. Die immer zahlreicher ins Land kommenden Touristen sind beeindruckt von den unzähligen Schätzen historischer Architektur, der wunderbaren Landschaft und der dynamischen Kultur.
Die stürmische Geschichte Estlands wurde bestimmt von seiner geografischen Lage an der Kreuzung zwischen Ost – und Westeuropa. An einem strategisch wichtigen Platz gelegen, die russische Grenze im Osten, Skandinavien im Norden, ein anderes Baltisches Land, Litauen, im Süden, wurde Estland viele Jahre von den Nachbarn kritisch beäugt.
Im Jahr 1991, dem Jahr der Unabhängigkeit, war das Land sehr geschwächt. Beispielhaft für die anderen osteuropäischen Länder kämpfte Estland um die Aufnahme in die EU und die NATO-Mitgliedschaft. Das Land zeigte, wie man technische Neuerungen, die Bewahrung des nationalen Erbes und die Verbesserung der Lebenssituationen gleichzeitig verfolgen kann.
Estland mit seinen herausragenden technologischen Neuerungen wird oft auch der elektronische Staat genannt. Obwohl der Lebensstandard in den ländlichen Regionen nicht so schnell wächst, ist Estland doch zu einem beliebten Touristenziel geworden. Die Besucher werden nicht nur von Tallinn, der lebendigen Hauptstadt mit ihrer mittelalterlichen Altstadt angezogen, sondern auch von der ursprünglichen Natur, den Wäldern, Sümpfen, Inseln und traditionellen Dörfern.
Bevölkerung
In Estland leben 1,3 Millionen Menschen. Mit 71% bilden die Esten die Mehrheit. Etwas 20 Prozent der Bevölkerung sind Russen, die übrigen Ukrainer, Weißrussen, Finnen. Etwa 3,5 % der Bevölkerung sind Juden, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Estland kamen. Die meisten von ihnen leben in der Hauptstadt.
Gesellschaft und Kultur
Im Allgemeinen sind die Esten mehr von der Skandinavischen Kultur als von den baltischen Nachbarn beeinflusst. Esten und Finnen verbinden nahe sprachliche Beziehungen, gehören doch beide Sprachen zum finno-ugrischen Sprachstamm. Nach dem Rückzug der Sowjets blieben viele Russischsprechende in Estland, was immer mal wieder diplomatische Zusammenstöße mit Russland provozierte. Heutzutage sind diese Konflikte weniger geworden.
Esten sind außerordentlich stolz auf ihr kulturelles Erbe. Die mittelalterliche Geschichte wird nicht nur in Baudenkmälern reflektiert, sondern auch in Festivals, deren Wurzeln zurückreichen bis ins Mittelalter.
Für die nationale Identität ist die Volkskunst immens wichtig, geht sie doch weit zurück in der Geschichte. Bis zur ersten Phase der Unabhängigkeit im Jahr 1918 waren die meisten Esten Leibeigene. Das Estnische Nationale Sängerfest, das 1869 zum ersten Mal abgehalten wurde, wird bis heute alle 5 Jahre wiederholt. Es gilt als wichtiges Symbol der nationalen Identität.
Religion hat keine nennenswerten Einfluss auf das Leben der Esten, obwohl unter den verschiedenen Besatzungen viele Esten den christlichen Glauben angenommen haben, in erster Linie den Lutherianischen oder den Russisch-Orthodoxen.
Politisches Leben
Die Kommunistische Partei Estlands, die früher das politische Leben bestimmte, machte dem Mehrparteiensystem Platz. Der bekanntesten der neuen Parteien, der Estnischen Zentralpartei, schlossen sich Gruppen mit unterschiedlichen politischen Ideologien an. Die Estnische Regierung setzt sich zusammen aus fragilen Koalitionen verschiedener Parteien. Die Mehrheit der Politiker in höheren Positionen diente auch schon der Kommunistischen Partei, weshalb die meisten Esten eine zynische Haltung zur Politik einnehmen. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde die Korruption zu einem ernsthaften Problem. Aber die Situation hat sich gebessert, vor allem Dank der strengen EU-Gesetzgebung und einer stabileren Wirtschaftslage,
Wirtschaft
Mit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit begann die Regierung konsequent, die Wirtschaft zu stärken. In der Hauptstadt Tallinn gibt es viel exklusive Geschäfte, Bars und Nachtclubs. Die wichtigsten Exportwaren sind Maschinen und Ausrüstung, aber auch Papier und Holz. Die Wirtschaft basiert aber zu einem großen Teil auf dem Sektor der Informationstechnologie, dem Tourismus und auch dem Russischen Erdöltransport durch das Land.
Tourismus
Der Tourismus wandelte Estland vom grauen, post-sowjetische Land zu einem florierenden Staat. Der Estnische Tourismusverband machte massiv Werbung für das Land, der private Sektor passte sich schnell an und nutze die Chancen, die sich durch den Tourismus boten. Natürlich kam der Gewinn zunächst der Hauptstadt Tallinn zugute. Mittlerweile hat diese Entwicklung aber auch die lange Zeit vernachlässigten Gebiete erreicht. Auch die abgelegenen Dörfer, Städte und Inseln erhalten mehr und mehr tourismusbezogene Zuwendungen.